Teil 05

An dieser Stelle wollen wir im Fortgang der Erzählung kurz innehalten, um die handelnden Personen ein wenig näher zu betrachten:

JÖRG A. HOPPE (27) studiert an der Hagener Fachhochschule Sozialpädagogik. Seine wahre Neigung gilt jedoch der Kunst, zu der in guter Pop-Art-Tradition auch die Kunst der Inszenierung und der Selbstinszenierung gehört.
Im Rahmen eines Praxisprojekts im städtischen Jugendzentrum im nahe gelegenen Wetter wirkt er konsequent in die kulturelle Richtung: rastlos organisiert er dort Konzerte und Filmvorführungen. Den 16-mm-Projektor und die ausgeliehenen Streifen bringt er auch gern mit in die Homebase, die "B 56", wo dann Filme wie "Wenn die Gondeln Trauer tragen" vor der versammelten Kommune und ihren Gästen auf die Wohnzimmerwand projiziert werden.
Hoppe ist ein begabter Maler und Objektgestalter, sein kunstvoll präparierter "Augenstuhl" gehört zu den Attraktionen der WG.
Trotz der einen oder anderen Diskussion um die richtige Erntezeit für die prächtig gedeihenden Balkonpflanzen der WG (Kai pflegt bereits im Mai mit der Nagelschere erste Proben des Jahrgangs zu entnehmen) harmonieren Hoppe und Havaii sehr gut, was man auch bei der gemeinsamen Initiierung eines Filmclubs und der Organisation grösserer Konzerte sehen kann. "ALLES LIVE" holt in den Siebzigern z.B. den Anarcho-Clown Jango Edwards und das linke Kabarett "Die 3 Tornados" in die Provinz.

KAI HAVAII (22) hat nach Zivildienst und 3 Semestern Germanistik und Geschichte auf Werbegrafik umgesattelt und sich nebenbei als Cartoonzeichner u.a. durch Veröffentlichungen in der "TAZ" erste Meriten verdient, allerdings kein Geld. Das beschafft er sich als Taxifahrer.
Ausserdem wird die "B 56" noch von 3 Damen (u.a. der Musiklehrerin Gabi Lappen) und dem früheren Unternehmer und Ex-Porsche-Fahrer Wolfgang Luthe bevölkert. Dieser hat sich von seiner bourgeoisen Existenz verabschiedet, um seinen künstlerischen Neigungen nachzugehen. Von seinen wahnwitzigen Musikperformances, die wenig später selbst hartgesottene Grossstadtpunks mit offenen Mündern und hängenden Armen verfolgen werden, wird noch zu reden sein.

STEFAN KLEINKRIEG (23) ist, wie schon erwähnt, gelernter Dekorateur. Während seiner Bundeswehrzeit dient er in einer Sanitätskompanie, wobei ihm der Medikamentenschrank direkt untersteht, ein Umstand, der dazu führt, dass er an den Wochenenden gern mal ein Fläschchen Valoron mit nach Hause bringt, das er dann auf seinen Exkursionen mit Gerhard Sperling, dem späteren HORRIBLE HORN zu verzehren pflegt. Als EXTRABREIT den ersten Plattendeal in der Tasche hat, kündigt er seinen Job und verdingt sich als LKW-Fahrer.
Als Gitarrist ist Stefan ein reiner Autodidakt, wenige Jahre zuvor hat er mit einem Kumpel namens BOCKIG das Bandprojekt "Fantastic Motorcraft" ins Leben gerufen, dessen Markenzeichen ohrenzerfetzende Feedback-Orgien und andere interessante Klangexperimente sind. "Wir hatten die frühen KRAFTWERK im Bunker am Emilienplatz gesehen und waren schwer beeindruckt", meint Kleinkrieg rückblickend. "Fantastic Motorcraft" geht nach einigen Auftritten der Sprit aus und Stefan wendet sich der Ausdrucksform des Gitarrenriffs zu...



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