Teil 08

Nachdem "Hart wie Marmelade" also in zwei Textversionen und auch "1,36" als B-Seite im Kasten sind, geht es kurz nach Mitternacht auf die Rückreise. Kleinkrieg plagt sich mit Zahnschmerzen und hat sich schon während des letzten Teils der Session nur mit einer Menge Tabletten und besonders breitbeinigem Stand an Deck halten können. Es ist eine extrem kalte Winternacht und obwohl die Heizung asthmatisch auf Hochtouren läuft, ist es hinten im Ford Transit so kalt, dass den atmenden Mündern unserer Helden Rauchfahnen entweichen.

Zuerst wird das Aufnahmetape ungezählte Male gespielt und wieder zurückgespult, dann dudelt das Autoradio: Die Goombay Dance Band toppt mit "Sun Of Jamaica" die deutschen Singlecharts und die Buggles haben einen Riesenhit mit "Video Killed The Radio Star". Zwischendurch Nachrichten: In Karlsruhe hat sich die Partei der Grünen gegründet und die Welt schaut auf Afghanistan, wo gerade sowjetische Truppen einmarschiert sind. Kurz vor der Dämmerung erreicht man Hagentown,

Dort hat Jörg A. Hoppe inzwischen damit begonnen, eine Art Infrastruktur rund um EXTRABREIT aufzubauen. In einer Behindertenwerkstatt in Hagen-Volmarstein sind ca. 100 Demotapes (beidseitig bespielt und somit vorwärts und rückwärts abspielbar) kopiert worden. Darauf enthalten sind u.a. Songs wie "Extrabreit", "Es tickt", "Hit um 7", "Sturzflug", "Junge, wir können so heiss sein" und eine Punk-Version von "Marmor, Stein und Eisen bricht", die schon zu Horst-Werner Wiegands Zeiten live für Furore gesorgt hat.

Hoppe verschickt diese Tapes in alle Himmelsrichtungen, nutzt seine ALLES-LIVE-Kontakte, organisiert erste Interviews, z.B. mit dem Hagener Szeneblatt "Musikertreff", in dem man bereits markig zu Protokoll gibt: "Natürlich wollen wir berühmt werden!"
Bei jeder sich bietenden Gelegenheit werden Fotos gemacht und Hoppe hat es irgendwie geschafft, bei der Hagener Volkshochschule einen Video-Kurs zu initiieren, um einer der damals ebenso raren wie teuren Video-Kameras habhaft zu werden. Von diesem Moment an entfaltet sich die EXTRABREIT-STORY auch in bewegten Bildern.

Auch um die Live-Gigs kümmert er sich, man spielt in Hagen und der näheren Umgebung in Jugendzentren, Schulaulen und Discos, mal vor 100, mal vor 200 Leuten.
Dann wagt man sich erstmals über den üblichen Aktionsradius hinaus und reist (neuerdings im schablonenbesprühten VW-Bully eines Mitbewohners aus Piet Wortmanns WG) nach Aachen, um im Veranstaltungssaal der Technischen Hochschule aufzutreten. Nur kurz zuvor haben Hoppe und Havaii dort zusammen mit 1000 begeisterten Zuhörern ein Konzert der britischen New-Wave-Combo GANG OF FOUR erlebt.

Siegesgewiss trifft die Band am Nachmittag ein, nachdem man schon bei der Fahrt durch die Stadt etliche Plakate gesehen hat, die das Ereignis ankündigen.

Kleinkrieg erinnert sich:
"Als wir schliesslich die Bühne enterten, war uns klar, dass hier eine besondere Aufgabe auf uns wartete: in dem riesigen Saal standen verschüchtert 7 zahlende Gäste und starrten uns ebenso entgeistert an wie wir sie..."



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