Teil 10

"Wir waren geschockt und verwirrt. Nach ein oder zwei Wochen konnten wir Piet, der das erst nicht gewünscht hatte, dann endlich im Krankenhaus besuchen. Es sah so aus, dass er wohl wieder auf die Beine kommen könnte und wollte. Allerdings sagte er auch ziemlich klar, dass er sich eine Rückkehr zur Band auf absehbare Zeit nicht vorstellen könne. Als wir zum Wagen gingen, wussten wir erstmal nicht, wie es weitergehen sollte... (Havaii)



V.l.n.r.: Piet Wortmann, Roadie Uli, Horrible Horn, Stefan Kleinkrieg, Kai Havaii, Ralf Teuwen

In dieser Situation erscheint am 14. April 1980, Kai’s 23. Geburtstag, "Hart wie Marmelade". Das Interesse an EXTRABREIT wächst nun auch bundesweit stetig. Einige Konzerte sind abgesagt worden, aber die Anfragen häufen sich und nach einer Phase der Lähmung beschliesst die Band, dass es weitergehen muss. Man macht sich auf die Suche nach einem Ersatzmann, der Piet Wortmann als zweiten Gitarristen zumindest eine Zeit lang ersetzen kann. Hartwig Masuch ist es schliesslich, der einen Kandidaten aus dem Hut zaubert. So kommt es in diesem Sommer zu einer Begegnung, die nicht nur EXTRABREIT aus der aktuellen Bredouille hilft, sondern auch dazu beiträgt, dass ein anderes Hagener Pop-Phänomen erste, unbewusste Konturen annimmt: NENA.

Carlo Karges, "ein kleiner drahtiger Typ mit einem hübschen Teenybopper-Face" (Havaii), schneit irgendwann Ende Mai in das kleine Büro in der Augustastrasse, das Hoppe inzwischen angemietet hat. Der Gitarrist und Songschreiber stammt aus einer Zigeunerfamilie, ist in Hamburg aufgewachsen und lebt jetzt in Berlin, wo er nach einem Gastspiel bei den RAMBLERS (aus dieser Zeit kennt man sich bereits) vor allem Live-Jobs macht. Er hat sich gegen Kost und Logis sowie eine geringe Gage (zu dieser Zeit liegen die Gagen der Band zwischen 400 und 600 DM) bereit erklärt, bei den Live-Konzerten im Sommer und möglicherweise auch bei einer kommenden Albumsession einzuspringen.

Hier ist ein Zitat aus Kai Havaii’s Online-Tagebuch, den "Osterstrassen-Papieren". Anlass dieser Zeilen war Carlo Karges‘ Tod im März 2002:

Carlo hatte die Aura des zwar mittellosen (alles, was er besaß, passte in einen kleinen Reisekoffer), aber unbedingt von sich und dem unausweichlichen Erfolg überzeugten Künstlers. Er spielte recht ordentlich Gitarre, aber seine Stärke lag noch mehr in seinem Willen zum Pop. Damals war Carlo ein manchmal etwas träger, aber im Kopf ziemlich fixer Junge, "streetsmart" und mit den Damen sehr charmant, weshalb er sich auch in den verschiedensten Städten irgendwo parken konnte. Wir beide verstanden uns gut, seine weltmännische Art faszinierte mich. Er brachte mir bei, wie man aus einer Streichholzschachtel kifft, wir teilten eine gemeinsame Leidenschaft für Comics, hingen zusammen im Park ab und sahen den Mädchen nach.

Karges bezieht in Havaiis und Hoppes WG Quartier und noch am selben Nachmittag geht es zum Proben nach Hohenlimburg. Das Programm umfasst inzwischen ca. 60 Minuten und schon in wenigen Tagen steht ein Auftritt in der Hamburger "Markthalle" an, ein Konzert, das wegen der chaotischen Vielfalt seiner Eindrücke allen in besonderer Erinnerung bleiben wird...



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