Teil 18

"Ich war plötzlich voller Selbstzweifel, was meine Zukunft als Rocksänger betraf und hatte das Gefühl, daß ich mich auf meine Cartoons konzentrieren sollte."

Man könnte denken, daß dies das frühe Ende von EXTRABREIT hätte sein können, aber Kleinkrieg wäre nicht Kleinkrieg, wenn er nicht alles versucht hätte, die Situation und sein Lebenswerk zu retten.

Nachdem Havaii in einen Zelturlaub an Portugals Algarve abgedampft ist, um über sein "Leben nachzudenken", überzeugt Stefan einen Freund der Band, Norbert "Laui" Thiel, die Rolle des Frontmanns zu übernehmen.
Horn ist inzwischen tatsächlich durch Rolf Möller, den Kleinkrieg seit Kindertagen und Schule kennt, ersetzt worden und in dieser Formation spielt man einige Gigs. Als zweiter Gitarrist ist jetzt für kurze Zeit auch noch einmal Piet Wortmann dabei, der allerdings unter schweren Medikamenten steht und den Job schon bald wieder aufgibt.
Gleichzeitig wird deutlich, daß auch Ralf Teuwen alias "Corleone" das neue Tempo nicht mitgehen und sich lieber seiner Schulausbildung widmen will.

"Wer nicht bremsen kann, muß mit!"
(Kleinkrieg 1980)

Dann lernt Stefan bei einem gemeinsamen Gig mit den STRIPES im Berliner Tempodrom deren Bassisten Hunter alias Wolfgang Jäger kennen. Über ihn unterhält er sich backstage mit Carlo Karges, der inzwischen in Ulla Meineckes Live-Band spielt und gekommen ist, um seine Hagen-Connections zu pflegen. Er bestärkt Stefan in seiner Meinung, daß der blonde, piratengesichtige Schmecklecker ausgezeichnet zu EXTRABREIT passen würde und da Nena der Frohsinnsbolzen wegen seines großen Dursts und seiner gar nicht schüchternen Art eh suspekt ist, geht der Wechsel geräuschlos über die Bühne. So nimmt die legendäre Besetzung der "phantastischen 5" erste Konturen an.

Kai Havaii ist inzwischen zurück in Hagentown:

"Als ich da an meinem Schreibtisch saß und das Cover von "Ihre Größten Erfolge" zusammenklebte, die Titelidee war, glaube ich, von mir, schwante mir wohl schon, daß mein Rückzug komplett idiotisch war. Es dauerte aber noch eine ganze Weile, bis ich Stefan anrief, da war die Platte schon auf dem Markt und auch eine Menge Leute aus meinem Umfeld erklärten mich für verrückt, das aufzugeben..."

An einem regnerischen Winternachmittag fahren Kleinkrieg und Havaii in Stefans Granada auf den riesigen, leeren Parkplatz vor dem Ischelandstadion in Hagen und gehen mit hochgeschlagenem Jackenkragen durch den Haupteingang hinein, um einige Runden auf der Laufbahn zu gehen und sich dabei ungestört zu unterhalten (das Arrangement dieses Treffens zeugt von dem bei Beiden ausgeprägten Sinn für Dramatik)

Nachdem Havaii sich erklärt hat und nochmals zweifelnd bemerkt, daß seine Stimme doch nicht die typische eines Rocksängers sei, gibt Kleinkrieg seine anfängliche Zurückhaltung auf und entgegnet, daß gerade das ja das Besondere sein. Immerhin hat MUSIKEXPRESS/ Sounds, das zu der Zeit "meinungsbildende" Musikmagazin, in einem ansonsten eher skeptischen Review ("Status Quo entlässt ihre Kinder") konstatieren müssen: "Der Sänger hat eine Stimme, die man wieder erkennt". Auch Ex-Manager Hoppe hat das aufmerksam registriert.

Obwohl sich außer einigen positiven Reaktionen nicht viel tut mit der Platte, ahnen Stefan und Kai inzwischen, daß dies die Ruhe vor dem Sturm sein könnte. Und trotz der Tatsache, daß auf dem Cover von "Ihre Größten Erfolge" auf Wunsch von METRONOME bereits die "aktuelle" Besetzung mit Thiel und Wortmann abgebildet ist, kommen die Dinge wieder ins Lot: der Nachmittag endet mit Kais reumütiger Rückkehr zu EXTRABREIT und der Neubesiegelung des Paktes zwischen Kleinkrieg und Havaii.

Anfang 1981 geht aus all diesen Wirren eine Band hervor, die ein paar Lektionen gelernt hat und nun bereit ist, den kommenden Herausforderungen professioneller entgegen zu treten...



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