Teil 24

Es passiert an einem Montagabend. Kai kommt gerade von seinem zwischenzeitlichen Job als Layouter von "MUSIKER / MusicNews" nach Hause, einem Blatt, das der EXTRABREIT-Verleger Masuch mit seinem Partner Wiehagen betreibt und für das Kai auch schon ausführliche Interviews mit Django Edwards und Robert Smith von THE CURE geführt hat.

Die Besatzung der B 56 hat sich in dem riesigen Wohnzimmer versammelt und starrt gebannt auf den TV-Schirm. Dort sieht man wieder und wieder und aus verschiedenen Kameraperspektiven, wie wenige Stunden zuvor der US-Präsident Ronald Reagan von den Kugeln eines Attentäters getroffen worden ist.

"Diese Bilder hatten etwas ungeheuer Suggestives, die Nähe der Kamera zum Geschehen, das Verwackeln – ein immer wieder zurückgespulter Moment, in dem die Welt den Atem anhielt. Dabei sah das gar nicht mal so brutal aus wie die Bilder vom Kennedy-Mord, aber es wirkte viel realer." (Kai Havaii)



"Da sind die Schüsse
Wir sehen wie er wankt und stürzt"


Noch in derselben Nacht bringt Havaii den Text von "Der Präsident ist tot" zu Papier, indem er das Gesehene in eine eigene, symbolisch zugespitzte Bilderwelt transportiert.

Denn abgesehen davon, daß Reagan dieses Attentat bekanntlich überlebte, kam er keineswegs aus der Kirche, auch die beiden Polizisten und die Kinder gab es nicht. Auf diese Weise kann das Attentat zum "Attentat schlechthin" werden und der "Präsident" zur allgemeingültigen Metapher des (westlichen) politischen Führers.

Da die Band zu dieser Zeit praktisch ununterbrochen probt, stellt Havaii schon am nächsten Tag Stefan und den anderen die Idee vor. Im sogenannten "Eisenbahnerhäuschen", einer flachen kleinen Baracke am Ende der Sedanstraße gleich hinter dem Güterbahnhof hat man einen neuen Proberaum bezogen.

Und hier entwickelt sich aus einem bedrohlichen, unheilverkündenden Groove und Kleinkriegs dramatischem Intro-Thema ein hypnotisches Stück, das längst legendär ist Bei der Albumsession im Mai wird die Nummer dann noch ein paar kleine, aber sehr expressive Zutaten erhalten...

Tagsüber bewohnt man nun den Proberaum und am frühen Abend schaut man dann im Reggae-Büro hinter der "Sumpfblüte" vorbei, um die neuesten Entwicklungen mit Hoppe zu besprechen, der weiter manisch Gigs bucht.

Zu vorgerückter Stunde aber hängt man seit Neuestem gern in einem Laden ab, der soeben von einer alten Freundin der B 56-WG eröffnet worden ist und der nicht nur der Hagener Szene für eine kurze, aber intensive Zeit zur neuen Heimat wird:
Die "Neue Heimat"...



zurück weiter