Teil 60

Herbst / Winter 1982: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik sind die Arbeitslosenzahlen auf über 2 Millionen gestiegen und werden ein immer beherrschenderes Thema der Politik. Auch die Kämpfe um die besetzten Häuser in der Hamburger Hafenstraße machen Schlagzeilen. In Moskau segnet der “rote Zar” Leonid I. das Zeitliche. Sein Leibwächter wird wenig später in einer unvergesslichen BILD-Serie enthüllen: “Breschnew zwang mich zum Kettenrauchen!”

Der neue CDU-Kanzler Kohl will eine “geistig-moralische Wende”, womit eine Abkehr von “Miesmacherei” wie auch politischem “Utopismus” und eine Hinwendung zu Karriere, Konsum und “Famillje” gemeint ist. Nach den am Ende labilen Siebzigern, die von vielerlei idealistischen Bestrebungen durchweht waren, ist nun die konservative Restauration des westlichen Zeitgeistes in vollem Gange: Ronald Reagan in den USA, Margaret Thatcher in Grossbritannien und der massige Machttaktiker aus Oggersheim gehen voran.

EXTRABREIT sind nun auf dem Zenit ihrer “ersten” Karriere angelangt. Die “Rückkehr der phantastischen 5!” hat unmittelbar nach Erscheinen die Top 5 der Album-Charts erreicht und im Jahresrückblick der “Musikwoche” erscheinen EXTRABREIT als “erfolgreichste Produzenten des Jahres”. Seit dem Sommer betreibt JAH in München eine Filiale des EXTRABREIT-Büros, in der auch der umtriebige Günter Mayer einen Schreibtisch stehen hat.
Auch von hier aus werden die vielfältigen Aktivitäten zur Veröffentlichung des neuen Albums und der anstehenden Deutschland-Tournee koordiniert. Die “Rückkehr” nicht nur mit fünf in das Cover gestanzten “Einschusslöchern” zu versehen, sondern auch gleich in fünf verschiedenen Farb-Versionen auf den Markt zu bringen, gehört auch dazu. Nicht wenige “Die Hard”-Fans werden nicht eher ruhen, bis sie die LP in allen fünf Varianten besitzen.




Die “Rückkehr” als MusikCassette – mit dem
legendären Bonus-Track “Verschwörung”


Erstmals will man nun auch mit dem neuen Medium “Video-Clip” arbeiten und reist im Dezember 1982 nach Wien, um für “Kleptomanie” zu drehen. Die Regisseure sind Rudi Dolezal und Hannes Rossacher, zwei junge Wiener, die sich mit Beiträgen für ein
Pop-Magazin des ORF bereits einen gewissen Ruf erworben haben und nun ihre erste professionelle Video-Produktion angehen. Nur wenige Jahre später werden sie höchst exklusive Reportagen und Interviews mit Queen und den Rolling Stones drehen und eine der florierendsten europäischen Produktionsfirmen in der Sparte Musik betreiben.

Es werden zwei Versionen des “Kleptomanie”-Clips produziert: Die erste dreht die Band mit ihren Instrumenten in einem leeren Flugzeughangar. Zu einer für damalige Verhältnisse sehr dynamischen Kameraführung agieren die BREITEN zum Playback; die Rauchfahnen, die in der eiskalten Halle ihren Mündern entweichen, verleihen dem Clip eine ganz besondere Note.
Die zweite Variante ist dem Text “nachinszeniert”: In einem großen Wiener Kaufhaus (das zu diesem Zweck an einem Sonntag gemietet wird), beschäftigt sich Kai mit der illegalen Entnahme eines Paares der grässlichsten roten Schuhe, während er von den anderen nach mehreren Seiten gesichert wird. Schließlich kommt es zu einer Verfolgungsjagd mit den unvermeidlichen Detektiven, die in der Wiener Innenstadt in einer Tortenschlacht gipfelt. Zwar wird man nach der Fertigstellung der “Hangar-Version” eindeutig den Vorzug vor der “Slapstick”-Variante geben, das Finale der Dreharbeiten jedoch bleibt in bester Erinnerung, gestaltet es sich doch zu einem “Straßen-Happening” vor den Augen der in Sonntagsgarderobe flanierenden Wiener.





Der “Kleptomanie”-Clip wird schließlich einmal in der neuen WDR-Musikshow “Formel 1” ausgestrahlt, von “Musikfernsehen” im heutigen Sinne ist damals noch keine Rede. Allerdings hat in den USA soeben MTV den Betrieb aufgenommen und weiter blickende Zeitgenossen haben schnell erkannt, dass das Medium des MusikClips in Zukunft eine große, um nicht zu sagen alles verändernde Rolle spielen wird...



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