Teil 23

In diese Zeit der hektischen Aktivitäten, Demo-Aufnahmen und Tourvorbereitungen fällt im März ein Ereignis, das unseren staunenden Helden vor Augen führt, daß die Zeit der Anonymität endgültig vorbei ist: der Kaufhaus-Sturm von Hagen.

Hoppe hat mit dem Leiter der Plattenabteilung des Kaufhauses "Quelle" in der City von HOMETOWN einen Termin für eine Autogrammstunde ausgemacht. Seit einigen Wochen nämlich verkauft sich "Ihre Größten Erfolge" dort wie geschnitten Brot.

Die Teenies in Hagen und Umgebung haben EXTRABREIT entdeckt und der Virus breitet sich in der Region schnell aus. Um diesen Trend zu nutzen, hat "Quelle" noch einmal größere Posten des Debütalbums bestellt, um diese anlässlich der Autogrammstunde an den Käufer zu bringen. Zunächst sieht alles so aus, als ob die Rechnung voll aufgeht: bereits Stunden vor der Ankunft der Band gibt es erste Zusammenrottungen von Fans, die vor dem Kaufhaus und in der Plattenabteilung herum lungern.

Als die BREITEN schließlich eintreffen und durch einen Personaleingang in ein Hinterzimmer gebracht werden, verraten der Lärmpegel sowie die Ganzkörpertranspiration des Abteilungsleiters, daß hier Ungewöhnliches im Gange ist. Das Erdgeschoß des Großkaufhauses ist inzwischen von ca. 1.000 Jugendlichen überfüllt und draußen drängen immer noch ganze Schulklassen zum Haupteingang.

Als die Band schließlich die improvisierte kleine Bühne mit dem Tisch davor betritt, bricht die Hölle los: unter dem triumphalem Geschrei der Kids lassen es die BREITEN unterschriebene Autogrammkarten regnen.



Eine legendäre Autogrammkarte (März 1981):
Links: Kai Havaii, rechts von oben n. unten: Uli Ruhwedel aka PUBLIC, Wolfgang Jäger aka HUNTER, Stefan KLEINKRIEG, Rolf Möller

Die Menge tobt und die Atmosphäre ist siedend heiß, als das interessante psychologische Phänomen der Entfesselung in der Masse Gestalt annimmt:
Hunderte von Händen greifen in die Ständer mit den EXTRABREIT-LPs und ziehen sich mit der Beute zurück, schon drängen die nächsten zur Quelle. Überall bedient man sich jetzt aus den Plattenregalen, um dann wieder in der wogenden Menge unterzutauchen.

Der Abteilungsleiter und sein Assistent, die sich zur Beendigung der Plünderungsorgie in die Menschentraube stürzen, werden von der rasenden Menge nach kurzer Zeit mit zerrissenen Hemden und ziemlich punkigen Frisuren wieder ausgespien. Schwer atmend und auf allen Vieren rettet sich der Abteilungsleiter hinter den Tisch, auf den die BREITEN jetzt gestiegen sind um die extatisch skandierten Ovationen entgegen zu nehmen.

Havaii beobachtet den inzwischen völlig apathischen Mann:

"Ich sah ihm in die Augen und war glücklich."


So wird plötzlich Havaiis Motiv des "Kaufhaus-Klau’s", das er bereits in "Es tickt" kurz angedeutet hat ("..gleich nebenan klaut einer Schuhe...") in diesem Ereignis auf ungeahnte Weise ganz real. Im darauf folgenden Jahr entsteht "Kleptomanie", das sich der Einzelkämpfer-Variante dieser gefährlichen Sportart widmet.

Noch im selben Monat, nämlich am 30. März 1981, passiert dann auf der anderen Seite des Atlantiks etwas, das Havaii zu einem Song inspiriert, der nicht nur, anders als das Kleptomanie –Thema, "postwendend" umgesetzt wird, sondern in der Gemälde-Galerie der EXTRABREIT-Lieder bis heute einen ganz besonderen Platz einnimmt.

Dieses "Bild" bewohnt sozusagen seinen eigenen Raum, ein Raum, der ganz in ein bläulich-weißes, leicht flimmerndes Licht getaucht ist...



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