Teil 40

An der schweren Eichentür der "Harlachinger Einkehr" ist eine Art Flugblatt angeschlagen, das den Auftritt der BREITEN ankündigt und das ist, wie sich nun herausstellt, praktisch die einzige Werbung für EXTRABREITs ersten Live-Gig in München. Regisseur Nüchtern, der die Band auch mit dem Konzert in die bayrische Metropole gelockt hat, hat die Sache auf die zu leichte Schulter genommen und so zeichnet sich schon eine halbe Stunde vor Beginn ab, dass der "Saal" ungewohnt leer bleiben wird.

DIE BREITEN, die solchen Situationen gewohnheitsmässig mit einem gewissen Gleichmut begegnen, haben es sich "backstage" "gemütlich" gemacht, was in diesem Fall bedeutet, in einer Art Abstellraum zu sitzen, in dem neben einigen ramponierten Stühlen auch ein altes Kinderbett steht. Mangels Raum hat Havaii sich in eben jenes Möbelstück drapiert, wobei seine Beine links und rechts über den Gitterstäben herunterbaumeln. Der Rest der Band sitzt auf Stühlen oder irgendwelchen Kisten, nur JAH und der soeben in dieser Geschichte aufgetauchte Mayer, der "Pirol", der sich inzwischen auch als Fremdenführer und "lokaler Berater" präsentiert, stehen in dem winzigen Raum und diskutieren die Lage.

Man ist sich einig, dass dies nicht gerade zur Vertiefung der Beziehungen zu Filmregisseur Nüchtern beitragen wird und Manager JAH hat diesem auch bereits einige passende Worte gesagt , aber Mayer ist das nicht genug: auf’s Höchste erregt, spricht er davon, dass man "dem Schwein was auf’s Maul" hauen müsse, das sei doch "Rufschädigung", eine "bodenlose Unverschämtheit", die nur mit schärfsten Mitteln geahndet werden könne. Die Band müsse ihrem Ruf gerecht werden und den saumseligen Filmemacher mit ein paar Ohrfeigen zur Besinnung bringen, das sei man sich schuldig, eine Frage der Ehre und ausserdem werde ja dann vielleicht auch die Presse...

Mit hochrotem Kopf und fuchtelnden Armen steht Mayer da, sein Fusselbart sträubt sich vor Empörung und schliesslich ergreift er, immer noch zur Rache für die erlittene Ruchlosigkeit aufrufend, Havaiis Hände, um den Sänger aus den Tiefen des Kinderbetts zu zerren. "Tut endlich etwas! Ihr müsst was tun!!" brüllt der "Pirol", jetzt gar nicht an einen Singvogel erinnernd, im höchsten Diskant.

Havaii gelingt es, sich aus der Umklammerung zu befreien und starrt ebenso sprachlos wie alle anderen Anwesenden den schwer atmenden Bayern an, der eben eine Kostprobe seines sardonischen Schauspieltalents geliefert hat und sich nun von der Darbietung erholt.

Was für eine Type! Es mischen sich Befremden, Neugier und eine gewisse Bewunderung für die Radikalität seines Auftretens, auch wenn man nicht im Ernst daran denkt, den armen Nüchtern derartig abzustrafen. Im Gegenteil: nach kurzer Diskussion wird in Anwesenheit des schweigend vor sich hin brütenden Mayer beschlossen, den Gig zu absolvieren. Was soll’s: nun ist man eh einmal da. Zudem gibt sich Nüchtern betont zerknirscht und bemüht sich sichtbar, der Band die angenehmen Seiten dieses Trips zu zeigen. Dazu gehört neben einem vorzüglichen bayrischen "Nachtessen" auch der charmante persönliche Einsatz der jungen Schauspielerin Barbara Rudnik, die in Nüchterns neuem Film, für den er ja einen EXTRABREIT-Soundtrack will, eine tragende Rolle spielt.



zurück weiter