Teil 12

Havaii: "Tja, wir haben dann noch ca. 20 Minuten ohne Schlagzeug weiter gemacht. Ob die Punks vor der Bühne dass nun gut fanden oder nicht, war schwer auszumachen. Jedenfalls kam richtig Leben in die Bude. Bierbüchsen flogen wie Konfetti, und ich wurde derartig berotzt, dass man meine Klamotten später in der Garderobe in die Ecke stellen konnte."
Kleinkrieg: "Irgendwann ging denen die Munition aus und zum Abschluss kam dann noch ein Besteckmesser, das einen halben Meter an Carlo vorbei über die Bühne flog..."

Ein wenig derangiert verlässt die Band einschliesslich des von Roadie Uli gestützten Horrible Horn die Bühne. "Verdammt gefährlich bei euch..." -so kommentiert der grinsende Karges seinen ersten Auftritt mit den BREITEN.

Echte Sprachlosigkeit kommt erst auf, als Horn nach kurzer Erholungsphase im Backstagebereich wieder zu sich kommt, um sich beim Auftritt der "Strassenjungs" bestens gelaunt ins Getümmel zu stürzen und opulent abzufeiern. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtet die Band auf der Rückfahrt ihren schlafenden Drummer.

Trotz solcher kleinen atmosphärischen Störungen entwickelt sich die Karriere der BREITEN stetig. METRONOME hat aufgrund der guten Resonanzen auf "Hart wie Marmelade" die Album-Option gezogen, im Juli soll es für zwei Wochen ins Tonstudio Hiltpoltstein gehen.
Zuvor findet in der Gesamtschule Hagen-Boele ein von Jörg A. Hoppe organisiertes Festival statt, dass neben dem obligatorischen EXTRABREIT-Auftritt nicht nur erneute Tsatsiki-Schlachten und andere Ausschreitungen bringt, sondern auch einen der ersten Auftritte der "Stripes" mit ihrer Sängerin NENA, die gerade bei CBS eine englischsprachige Debüt-Single namens "Extasy" veröffentlicht haben.

"Man kannte sich, das war in einer Stadt wie Hagen zwangsläufig. Als ich noch jeden Morgen mit dem Zug zu meinem Job beim Kaufhof in Schwelm fuhr, kam ich nach durchgemachten Nächten öfters in allerletzter Sekunde und mit mikroskopisch kleinen Augen auf den Bahnsteig geeiert. Nena, die mit demselben Zug zu ihrer Goldschmiedelehre fuhr, brüllte dann aus dem Zugfenster: "Hier lang Stefan! Hier!!"

Im Sommer 1980 ergibt es sich, dass EXTRABREIT und die Stripes sich einen grösseren Proberaum im nahe gelegenen Lüdenscheid teilen und Nena, die sich schon von seinen Ramblers-Zeiten her besonders gut mit Carlo versteht, taucht öfters bei EB-Konzerten in der Gegend auf.
Havaii: "Die Stripes waren gar nicht so übel, straight forward und mit so einem New-Wave-Touch. Dennoch schienen Welten zwischen uns zu liegen, denn die reine Pop-Orientierung und die englischen Texte unterschieden sich deutlich von unserer Auffassung von Authentizität. Der spezielle Appeal von Frau Kerner war aber auch schon in den Anfängen spürbar..."

Dieses Statement führt uns zu der Frage, wo EXTRABREIT denn eigentlich steht in einer Zeit, als sich in Düsseldorf, aber auch in Hannover oder Limburg an der Lahn eine neue "avantgardistische" Musikerszene herauszubilden beginnt, in deren Umfeld ein gewisser Alfred Hilsberg (der später in "Komm nach Hagen" noch besondere Erwähnung finden wird) in seiner Musikexpress-Kolumne "Neues Deutschland" zum ersten Mal von einer "Neuen Deutschen Welle" spricht und in der sich Punkiges a la Hans-A-Plast mit neutönerisch Experimentellem wie von "Wirtschaftswunder" oder den frühen D.A.F mischt...



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