Teil 45

Man kann sagen, dass die Band diese Zeit in vollen Zügen genießt. Tagsüber gondelt man verschlafen im Tourbus über die Autobahn und hängt in Novotels ab, wo es die gigantischen "Ernie & Bert"-Eisbecher gibt, die bald in fortlaufenden Blöcken die Zimmerrechnungen dominieren und abends bringt man die Hallen zum Kochen. Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da – im Gegenteil. Anlässlich "Hurra, hurra" ist nun auch die BRAVO voll auf Kurs gegangen und feiert EXTRABREIT als "die bösen Buben" der neuen Musikszene: "Wir ecken überall an" oder "EXTRABREIT – bei jedem Konzert viel Polizei" – das sind die Headlines in den Teenie-Magazinen. So kommt es während des Aufenthalts in Köln auch zu einem "klassischen" Rock ‘n Roll-Vorfall. Aufgrund der natürlichen Sparsamkeit des Konzertveranstalters sind abgesehen von den Novotal-Bauklötzen auch hier und da eher minderwertige Hotels gebucht worden. Während DIE BREITEN das mit einer gewissen Selbstverständlichkeit hinnehmen, wächst bei anderen in der Musiker-Travel-Party der Unmut über solch unproportionale Knauserigkeit. In München wird es dann schließlich zu einer von SPLIFF angeführten Musikerrevolte kommen, mit dem Ergebnis, dass man im Park Hilton untergebracht wird, ein lauschiger und weltoffener Ort, an den unsre Helden in den nächsten Jahren noch oft zurückkehren werden.

In ihrem kargen Kölner Hotel nun aber trägt sich bei einem gemütlichen Beisammensein der BREITEN, das zu vorgerückter Stunde in Stefans Zimmer stattfindet, Folgendes zu: Man ist harmlos ins Gespräch vertieft, als ohne weiteres Zutun plötzlich das Bett unter Rolf nachgibt und eine Seite des Möbels krachend zusammenbricht. Das ist das Signal zu verschärftem Vorgehen. Mit dem vom Verspeisen einer Batterie von Bockwürsten übrig gebliebenen Senf beginnt man die weiße Styropordecke mit wohlgesetzten Klecksern zu verzieren. Bald darauf fliegt ein Aschenbecher zur Decke und bleibt dort ohne weiteres stecken. Überall setzt nun emsige Tätigkeit ein. Stefan zeichnet auf der Tapete, während gleichzeitig der Sperrholzschrank fachgerecht zerlegt wird. Zwei Stühle und die Badezimmerarmaturen teilen sein Schicksal. Schließlich fällt der Blick der Destrukteure auf den Fernseher, der wichtig in der Ecke thront. Schon wird das Fenster aufgerissen und der schwere, schon etwas betagte Kasten auf den Fensterrahmen gehievt, wo er eine Weile balanciert, bevor man ihm unter Hochrufen den entscheidenden Stoß versetzt. Mit einem infernalischen Geräusch zerschellt das Gerät vier Stockwerke tiefer im Hof.

Als Stefan am nächsten Morgen inmitten der Trümmer seiner Stube erwacht, schwant ihm, dass diese Nacht nicht folgenlos bleiben wird. Zwar versucht JAH auf die Frage des kreidebleichen Rezeptionisten nach "einem Herrn Klein" mit der Auskunft "Der gehört nicht zu uns" eine falsche Fährte zu legen, aber schon bei der Ankunft in der nächsten Stadt präsentiert MAMA CONCERTS die Rechnung: 10.000 Deutschmark.

Da trifft es sich gut, dass die BRAVO EXTRABREIT, das erste Mal auf dem Titel hat. Welch schöne Blüten das Bad-Boy-Image treibt, sieht man an diesem Artikel aus der Zeitschrift POPROCKY:





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