Teil 51

Wir erinnern uns: In der Buscheystraße, die in der hügeligen Landschaft von Hagentown auf halber Höhe zwischen dem "Szene"-Viertel Wehringhausen und den Waldwegen liegt, die zur Bergkuppe mit der versteinerten Erektion alter Reichsherrlichkeit, dem Bismarckturm, führen, haben sich fünf junge Leute und ein Herr in den besten Jahren in einer geräumigen 7-Zimmer-Wohnung zusammengefunden, um gemeinsam den Zwängen einer "bürgerlichen" Lebenskultur zu entfliehen. In einer lockeren und kreativen Atmosphäre, in der man sich intellektuell und physisch auf das angenehmste austauschen kann, sind Gäste stets willkommen. So ist die "B 56" zu einer Art Durchlauferhitzer für vielfältige politisch-kulturelle und künstlerische Aktivitäten und auch weit über Hometown hinaus zu einer bekannten Adresse geworden.

"Wir hatten eine rastlose und ungeheuer inspirierende Zeit, weil wir uns ständig gegenseitig fütterten. Mit Musik, Bildern, Philosophie, Psychologie, Politik. Wir stellten viel zusammen auf die Beine, feierten Feste und fühlten uns unbesiegbar. In den besten Jahren gab es ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, ein Gefühl der Verschworenheit. Unser Zusammenleben funktionierte jahrelang sehr gut, weil jeder, die Männer und die Frauen, individuelle Persönlichkeiten waren, die sich gut ergänzten." (Kai Havaii)

Die Stamm-Besatzung besteht aus der Musiklehrerin und Musikerin Gabi Lappen, der angehenden Orthopädieschusterin Sybille Hahn, der Abendschülerin Inge Hilker, dem Ex-Unternehmer und Künstler Wolfgang Luthe, dem Sozialpädagogik-Studenten und EB-Manager Jörg Hoppe und dem Ex-Studenten, Grafiker, Taxifahrer und EXTRABREIT-Sänger Kay Schlasse, besser bekannt als Kai Havaii.

Auch wenn nicht jeder der Bewohner explizit in dieser Richtung tätig ist, kann man die B 56 als eine "Künstler-WG" bezeichnen, deren Mitglieder sich nicht nur gegenseitig austauschen, befeuern und kritisieren, sondern sich auch in der einen oder anderen Form an den jeweiligen Aktivitäten der anderen aktiv beteiligen. Auch EXTRABREIT macht da keine Ausnahme: So hat z.B. der durch den Verkauf seines Fassadenreinigungsunternehmens recht liquide Kunstkenner Luthe, der nicht nur durch eine dadaistische Publikation namens "Geil & Fröhlich" aufgefallen ist, sondern später auch als Ein-Mann-Punk-Show von sich reden machen wird, sich für die Band bereits als wichtiger Mäzen betätigt: Schon zu H.-W. Wiegands Zeiten hat Luthe mit dem Kauf einer damals als "State Of The Art" geltenden "Bose"-Gesangsanlage die Band in ihren Live-Möglichkeiten einen ganz entscheidenden Schritt weiter gebracht.
Gabi Lappen, die inzwischen mit ihrer Combo "KeinMensch" in der "Independent-Szene" von sich reden macht, hat sich nicht nur als "Special Guest" bei einigen frühen Live-Auftritten, sondern auch als Kinderchor-Dompteuse für "Annemarie II"* unsterblichen Ruhm in der "EXTRABREIT Hall Of Fame" erworben.

* "Welch ein Land – Was für Männer:" (1981)




Wolfgang Luthe in der B 56 (um 1980): Im Hintergrund erkennt man einen Teil des großen Wandgraffitis, das den langen Korridor der Wohnung zierte: "B 56 – Immer radikal Nie konsequent"


Dabei ist es nicht zuletzt auch der beschleunigte Aufstieg von EXTRABREIT, der dazu führt, dass sich die Chemie allmählich verändert und sich diese gemeinsame, so prägende Zeit im Sommer 1982 dem Ende zuneigt...



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