Teil 28

Als der Morgen graut, herrscht Stille in dem riesigen Haus. Die Kellerbesatzung ist zeitig erwacht, man verzichtet aufs Frühstück und sucht das Weite, ohne den Gastgebern Lebewohl zu sagen..
Glücklicherweise hat Laumann direkt nach dem Doppelkonzert kassiert, auch Verstärker und Anlage sind noch in der Nacht im LKW verstaut worden und so finden sich unsere Helden zu ungewohnt früher Stunde auf der A 45 in Richtung Heimat wieder, wo die letzten Vorbereitungen für die Aufnahme-Session zum zweiten EXTRABREIT-Album anstehen.

Als die BREITEN dann an einem sonnigen Maitag des Jahres 1981 im Studio in Hiltpoltstein eintreffen, haben sie Material im Gepäck, das zum Teil bereits live erprobt ist, aber in der selten kreativen Atmosphäre dieser Session noch mit den Zutaten versehen wird, die "Welch ein Land! Was für Männer!" ihre besondere Aura verleihen.

Wie auch schon beim Debüt ist man offen für die Mitarbeit von befreundeten Musikern: Kais Mitbewohnerin und KeinMensch – Mitglied Gabi Lappen hat eine Gruppe von "Szene"-Kindern in unermüdlicher Trainingsarbeit im Wohnzimmer der B 56 zu den "Buscheypfeifen" geformt, jenem legendären (im Studio mehrfach übereinander gelegten) Kinderchor, der die "Annemarie"-Version von "Welch ein Land" zu einem so unvergesslichen Erlebnis macht.
Auch das Streichquartett des Nürnberger Sinfonieorchesters, das die Kammermusik zu dieser Nummer liefert, fügt sich problemlos in die Session ein. Als man den Herren die Partituren überreicht, die ein mit Toningenieur Neuner befreundeter Noten-Wizard geschrieben hat, fragen sie verstört: "Von wem stammt denn das Werk?"

Für die "synthetischen Geräusche", wie sie im Covertext heißen, sorgt der B 56-Nachbar Thomas Hermann, der sich ein paar Tricks am Moog-Synthesizer drauf geschafft hat und in Hiltpoltstein unter anderem das typische "Alarm"-Intro von DER PRÄSIDENT IST TOT beisteuert. Er wird wenig später die schon erwähnte Hagener Combo "Erste weibliche Fleischergesellin nach 1945" ins Leben rufen.

Sogar innerhalb der Band tauscht man manchmal die Rollen: Havaii, der sich auch nach den Proben manchmal ans Schlagzeug setzt, um mit den anderen ein bißchen zu jammen, hat z.B. den typischen POLIZISTEN-Groove mit seinem doppelten Snare-Beat kreiert, der dann von Rolf so kongenial zur Aufführung gebracht wird.

Manni Neuner, mit dem sich die Band ausgezeichnet versteht, kündigt an, dem neuen Album einen ganz besonderen, "eigenen" Sound verpassen zu wollen, ein Vorhaben, das, wie man jetzt weiß, vollauf gelungen ist.




Die Burg Hiltpoltstein im Wonnemonat Mai


Abgesehen vom gewachsenen Selbstbewußtsein der Band ist im Flecken Hiltpoltstein aber alles beim Alten: wieder ist man in der "Familienpension Wölfl" abegestiegen und wie im Jahr zuvor sitzt man des abends (oft auch mit Studiobesitzer Jonas Porst) im "Bärenbräu", wo man sich nach getaner Arbeit ein wenig die Kante gibt und Sozialstudien zum Thema "Kinderarbeit in Oberfranken" treibt. Allerdings ist die kleine Tochter des Wirts, die auf ihrem Unterarm auch ein kleines "Fellchen" trägt (eine fleckenartige, pelztierähnliche Behaarung) inzwischen so groß geworden, daß sie auch ohne Schemel an die Zapfhähne reicht.



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