Teil 35

Die Sendung kommt langsam auf Touren: Sondock hat sich in den Hörercharts der "Diskothek im WDR" bis auf Platz 5 vorgearbeitet. Zwischendurch gibt es wie immer Neuvorstellungen, die von einer 5-köpfigen Hörerjury im Funkhaus per Knopfdruck als "Hit oder Niete" bewertet werden, wobei entweder ein schrilles Klingeln oder ein blökendes "Beep" ertönt. Zusammen mit Mal’s Losverkäufer-Stimme ergibt sich so eine Art Kirmes-Atmosphäre – irgendwo zwischen Auto-Scooter und "Ackermanns Raupe".

Mit Spannung verfolgen die BREITEN am Autoradio das Geschehen. Sondock ist jetzt bei Platz 3 angelangt, der Position, die "Polizisten" in der Vorwoche innehatte. Nach "Bette Davis Eyes" von Kim Carnes folgt die nächste Neuvorstellung – ring ring beep beep beep!

Dann ist es soweit: der Ami-Bass des dicken Schlickenfängers hat einen ganz besonderen Schmelz, als er verkündet:

"Und auf Platz 2 diese Woche – immer noch auf die Weg nach oben – die Supersingle von die Superband EXTRABREIT, das sind nicht nur Supermusiker, sondern auch echt nette Jungs. Diese Woche noch die 'Polizwei' und nächste Woche – hört Ihr mich, Jungs? -vielleicht schon die 'Polizeins'?"

Und so wird es kommen. In der Woche darauf nimmt "Polizisten" die Pole-Position. Bundesweit hält die Nummer nun Einzug in die Radio-Hitparaden – mit Ausnahme von Bayern. Dort hat die Staatskanzlei von Ministerpräsident Strauss ein Sendeverbot verhängt – wegen "Verunglimpfung von Staatsorganen".

In den Wochen darauf wird Sondock noch öfters mal bei JAH durchklingeln, um sich nach dem Befinden der Verlagsrechte von "Welch ein Land – Was für Männer!" zu erkundigen, allerdings ohne dabei so recht weiter zu kommen. Schliesslich gibt er es auf und begnügt sich in Zukunft mit den bereitwillig gewährten O-Tönen der Band, die noch ein paar Mal in seinem Kölner Office aufläuft, um neue Singles anzumoderieren. EXTRABREIT bleibt ein häufiger Gast in der "Diskothek im WDR" und nur einmal lässt Sondock sich etwas anmerken. Als man sich nach den Interviews zur "Her mit den Abenteuern" verabschiedet, grunzt er: "Und schöne Gruss an die Herr Hoppe – man sieht sich immer zweimal!"

Inzwischen ist es tiefer Herbst – nach der äusserst erfolgreichen Deutschland-Tournee richtet man sich eigentlich darauf ein, in HOMETOWN zu überwintern, als ein Anruf des Goethe-Instituts in Warschau kommt: ob man nicht im Dezember in Polen einige Auftritte machen wolle, Warschau, Danzig, Stettin und so weiter.
Die Band ist begeistert. Zwar würden die Gagen gerade mal die Kosten decken, aber mal hinter den eisernen Vorhang zu sehen und sich in einer ganz ungewohnten Umgebung zu präsentieren, kommt der Abenteuerlust und der Neugier der BREITEN entgegen, zumal Polen gerade im Zentrum der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit steht: der Kampf der freien Gewerkschaft Solidarnosc‘, die den kommunistischen Machthabern demokratische Rechte abzutrotzen versucht, ist in aller Munde.
Das aber ist denn auch genau der Grund, warum aus der Polentournee der BREITEN nichts wird: Rolf hat bereits damit begonnen, ein Sortiment von Konserven zusammen zu stellen, als am 13. Dezember die Nachricht kommt: Die Regierung Jaruzelskis hat das Kriegsrecht ausgerufen und Polen wird zum "verminten" Gebiet.

Wenig später aber wird die Band für diesen Ausfall mehr als entschädigt: Kurz vor Weihnachten fliegt man nach Wien, wo EXTRABREIT drei Nächte nacheinander das legendäre U4 beschallen sollen, ein Club, in dem sich von THE CLASH bis THE POLICE schon viele grosse Namen präsentiert haben.

Die "Reise auf den Balkan" (Kleinkrieg) erweist sich als ein in vielerlei Hinsicht denkwürdiges Erlebnis...



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