Teil 54

Der schwergewichtige METRONOME- Boss Heino Wirth hat zu einer Feier der besonderen Art geladen. Anlass ist ein singuläres Ereignis in der Geschichte der deutschen Musikindustrie: Erstmals (und seither wohl auch nie wieder) haben zwei Alben eines Künstlers am selben Tag die magische Verkaufsgrenze von 250.000 Exemplaren überschritten und damit "Gold-Status" erreicht. Ermöglicht wurde dies durch die Regulierung des Vertriebs in den letzten Wochen, indem man die Auslieferung des Debütalbums, das etwas vor "Welch ein Land" liegt, solange verzögert hat, bis EXTRABREITs zweites Album aufgeschlossen hat.

DIE BREITEN sind verhalten irritiert, als man den Ort der Veranstaltung, ein "typisches Hamburger Lokal" betritt: Fischernetze, präparierte Kugelfische und antike Steuerräder hängen an den Wänden, dazu gibt eine Rentnerband in Schiffermützen und blauen Blazern Shanties zum Besten. Selbstverständlich ist auch das Menü auf das Ambiente abgestimmt. Allerdings entgehen unsere Helden wie auch viele ihrer Gäste der Aalsuppe und der Hamburger Bratenschnitte, weil man gerade wieder "diese teure Diät" macht, die so groß in Mode gekommen ist.

Die Band hat etliche alte Freunde und Weggefährten nach Hamburg eingeladen, um das denkwürdige Ereignis gemeinsam zu begehen. Horrible Horn, erster EXTRABREIT-Drummer und langjähriger Kumpel von Stefan Kleinkrieg, erhält in Anerkennung seiner besonderen Verdienste ebenfalls eine "Goldene" für "Ihre Grössten Erfolge". Der wibbelige Psychedeliker wird allerdings nur kurz Freude an der Trophäe haben, da das gute Stück noch in derselben Nacht unwiderruflich verlorengeht. In den Wirren des Abends, an dem man noch verschiedene Brennpunkte des Hamburger Nachtlebens – vom "Madhouse" bis zum "Goldenen Handschuh" – frequentiert, lehnt Horn den Rahmen mit der Goldenen Schallplatte irgendwo an eine Häuserwand und vergisst sie dann dort.

Solche kleinen Pannen tun der Stimmung aber keinen wirklichen Abbruch, zumal man mit Horn gerade einen kleinen Streit beigelegt hat, der auch durch den Artikel eines Teenie-Magazins hässlich zu werden drohte: Horn, bürgerlich Gerhard Sperling hat nämlich die musikalische Urheberschaft an "Hurra, hurra, die Schule brennt", dessen Musik bislang unter Stefans Namen lief, geltend gemacht. Tatsächlich wird von niemandem bestritten, dass die Grundakkorde vor allem des Verses tatsächlich von Horn eingebracht wurden, wobei die Ausarbeitung, das Arrangement und die so typische Gitarrenmelodie zweifelsfrei von Kleinkrieg stammen. Nach einigem Hin und Her, bei dem auch der damals noch mit den BREITEN über Kreuz liegende Musikverleger Hartwig Masuch eine Rolle gespielt hat, hat sich Stefan schließlich bereit erklärt, Horn die musikalischen Rechte ganz zu überlassen, um einen Schlussstrich unter die leidige Affäre zu ziehen. Bei dieser generösen Regelung haben wohl auch die alten freundschaftlichen Gefühle für den geschassten Ex-Drummer eine nicht geringe Rolle gespielt.

Der Sommer 1982 ist lang und heiß. In der "Rockranch", einem neuen 8-Spur-Aufnahmestudio vor den Toren von Hagentown rinnt der Schweiß in Strömen, als EXTRABREIT die ersten Demos für ihr kommendes, drittes Album fertigen. Es wird ein weiterer Meilenstein in der Geschichte unserer Helden werden...



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